Brandenburg...

Immer wieder und nicht zuletzt im Bereich des Strafrechts wird deutlich, dass das Land Brandenburg über manche Besonderheit verfügt, die es möglicherweise von anderen, gewöhnlichen Bundesländern deutlich unterscheidet.

Nicht nur bei den Spitznamen mussten die Brandenburger seit jeher viel Hohn und Spott über sich ergehen lassen: kleine DDR, märkische Streusandbüchse, Speckgürtel, Junkerland, JWD, und zuletzt der großartige Rainald Grebe „Nimm Essen mit, wir fahren nach Brandenburg“.

Hinzu kommt, dass das Land im Ländervergleich nicht besonders rosig aufgestellt ist. Die Bedeutung der Landwirtschaft hat immer mehr abgenommen, die Kaufkraft ist und bleibt gering, die Bevölkerung altert, besser Qualifizierte wandern in Massen ab und die wenigen hoffnungsvollen Großprojekte haben sich größtenteils als Luftnummern beziehungsweise Geldgräber erwiesen (als Stichwörter seien nur Cargolifter, Flughafen und Solarzellenfabrik zu nennen).

Schließlich hat das Land - und hier besonders die Stadt Neuruppin, der ich in gewisser Weise verbunden bin - auch in der neueren Rechtsgeschichte für einige unrühmliche Kapitel gesorgt, nicht zuletzt aufgrund der schon mehrfach beschriebenen Unzulänglichkeiten seiner Bewohner beziehungsweise Verwalter:

  • Erst jetzt kommt nach und nach heraus, dass bei der Prüfung der Übernahme früherer Stasi-Mitarbeiter in den Polizei- und Justizdienst anders als in anderen Bundesländern offensichtlich bewusst nicht besonders genau hingeschaut wurde ("kleine DDR").
  • In Brandenburg gab es eine Stadt, die von einer kriminellen Bande in bester Mafia-Manier so durchsetzt war, dass sie ihren Spitznamen "Klein-Palermo" kaum mehr los wird. Wer einen Neuruppiner auf die Buchstaben „XY“ anspricht, kann dazu jederzeit näheres erfahren.
  • In der gleichen Stadt verurteilte das Landgericht zum ersten und möglicherweise bisher einzigen Mal in Deutschland einen Politiker wegen Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB, einer Vorschrift, zu der der BGH einmal sinngemäß angemerkt hatte, dass man sich schon sehr dumm anstellen müsse, um sich danach strafbar zu machen. Nun ja, wie das Land, so seine Verbrecher…
  • Um bei Rainald Grebe zu bleiben: Anderswo werden Politiker Milliardäre und stolpern dann über zwielichtige Parties mit minderjährigen Damen, in Brandenburg dagegen danken Bildungsminister ab, weil sie Dienstwagen privat genutzt haben, Innenminister, weil sie privat keinen Kindesunterhalt gezahlt haben, und Präsidenten des Verfassungsgerichts, weil sie zu viel Trennungsgeld erhalten haben. – „Es ist nicht alles Lafayette, es ist meistens Lidl…“

Und jetzt hat unser ehemaliger Justizminister noch einen drauf gesetzt: Nicht nur war er der erste und - vom kurzzeitigen früheren Bundesverkehrsminister Krause einmal abgesehen - wohl auch einzige Politiker, der je zurückgetreten ist, weil er privat pleite gegangen ist und sein Gehalt als Minister gepfändet wurde.

Nun ist er auch der erste ehemalige Justizminister (sic!), der von einem Strafgericht in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist (1 Jahr 6 Monate zur Bewährung wegen Betrugs, Steuerhinterziehung und falscher eidesstattlicher Versicherung).

Chapeau, das muss man erstmal hinbekommen!

Zwar ist das Urteil nicht rechtskräftig (inzwischen doch, siehe unten), angesichts des Geständnisses des Angeklagten dürfte jedoch letztlich allenfalls noch die Höhe der Strafe in Frage stehen.

Ich will mich über das Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt  auch gar nicht weiter auslassen. So oft dürfte es allerdings nicht vorkommen, dass Richter ihren ehemaligen Chef auf der Anklagebank vor sich sitzen haben, so dass das Ganze schon etwas sehr Pikantes hat.

Ich habe ebenfalls vollen Respekt vor der Kammer des Potsdamer Landgerichts, die sehr viel Rückgrat bewiesen hat, als die von der Presse so wiedergegebene erste Erklärung des Verteidigers: "Es kann sein, dass der Ex-Minister den Überblick über seine Finanzen verloren hat…" als Geständnis zurückgewiesen hat. Ein Vorgang, den man in Wirtschafts-Strafprozessen leider viel zu oft vermisst, denn in den meisten Fällen sind alle Beteiligten froh, wenn dem Angeklagten irgendein geständnisähnliches Gemurmel entlockt werden kann.

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Nachtrag: Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig, siehe hier.

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